Immer noch sehr schön zu lesen

Stadtteilporträt

Aus Rheinische Post vom 10.10.2003 ( Jennifer Koch )

 

Itter – ein kleiner, beschaulicher Stadtteil, in dem kaum etwas passiert?

Von wegen. Das "Dorf" im Süden verändert sich ständig.
Um das zu erkennen, muss man allerdings in großen Maßstäben messen. Immerhin hat der Stadtteil eine mindestens 860 Jahre lange Geschichte. Viele Jahrhunderte prägte der Itterbach, auch die Itter genannt, das Bild, plätscherte fröhlich durch das Dorf, um dann im benachbarten Himmelgeist in den Rhein zu münden. Und dann kam Herzog Wilhelm und nahm den Itterern ihre Itter einfach weg: Sie wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts umgeleitet, ihr Wasser speist die Seen am Schloss Benrath und mündet heute einige Kilometer von Itter entfernt in den Rhein.

Die Itterer bekamen statt dessen – etwa 200 Jahre später – eine Schnellstraße.
Die Münchener Straße wurde in den 1960er Jahren gebaut und schnitt den Stadtteil entzwei: Der Teil östlich der vierspurigen Straße gehörte fortan zu Holthausen.
 

Und so gibt es heute Menschen, die in den 50er Jahren in Itter aufwuchsen und seit mehr als 40 Jahren in Holthausen wohnen – ohne einmal umgezogen zu sein. Dasselbe Schicksal traf den Friedhof Itter. Der befindet sich in Holthausen, genauso wie die einzige "Itterer" Kneipe, das Jägerstübchen. Schützen und andere Vereine müssen sich in Ermangelung eines eigenen Lokals in Holthausen treffen.
Veränderungen gab es auch in der Natur Itters. Beinahe zwei Drittel des kleinen Stadtteils bestehen aus Wiesen, Wäldern und Feldern. Dort kennt sich Helga Kranz gut aus. Als Kind spielte sie in dem Gebiet, auf dem heute ein großes Umspannwerk steht. "Früher war dort ein Wäldchen, das für das Werk vernichtet worden ist", erzählt sie. Geblieben ist ein Wald am Rhein, hinter dem Deich. "Kronebusch" heißt er im Volksmund. "Dort haben wir nach dem Krieg Holz für unsere Öfen geschlagen", erzählt Helga Kranz, "noch heute liegen dort einige Bäume herum, die wir damals gefällt haben – so unberührt ist dieses Waldstück." Bedauerlich findet sie den Verlust der Itter: "Es wäre schön, wenn der Bach wieder durch den Stadtteil fließen würde."
Eine weitere tiefgreifende Veränderung erfuhr der Stadtteil in den vergangenen Jahren. Im Norden ist ein Neubaugebiet entstanden, in dem viele Familien mit Kindern wohnen. Ralf Granzow lebt dort seit zwei Jahren. "Meine Frau und die vier Kinder fühlen uns hier unheimlich wohl, es ist sehr ländlich", sagt er. Das Besondere an der Siedlung sind die Energiesparhäuser. Gerade einmal 36 Euro für Heizung und Warmwasser zahlt Granzow monatlich – das Haus hat unter anderem dreifach verglaste Fenster und ein durchdachtes Lüftungssystem. Zahlreiche dieser Häuser sind an den Straßen Auf´m Wettsche und Hubertus-Ring entstanden.
Hubertus und Pfarrer-Dörr-Ring, die Straße Im Besental – neue Wege dort, wo früher Felder und Wiesen waren. Mit dem Namen "Im Besental" orientierten sich die Bezirksvertreter an der Geschichte dieses Gebiets. "Während das Gebiet des alten Itter früher landwirtschaftlich für Gemüseanbau genutzt wurde, war der Boden dort schlechter", erzählt Bernd Bolten, der an der Huvestraße im alten Itter wohnt. "Dort wuchsen nur Pflanzen, aus denen man Körbe flechten konnte – oder eben Besen machte." Von dem besseren Boden im Süden Itters profitiert Bolten übrigens noch heute. In seinem Garten stehen Weinstöcke, bis zu 120 Flaschen halbtrockenen Rosé stellt er damit jährlich her – der einzige Wein, der in Düsseldorf angebaut wird.
Die Neulinge im Norden werden in Itter freundlich aufgenommen – auch von der aktiven katholischen Gemeinde. So besuchen die Kinder der Granzows den Kinderclub, eine der zahlreichen Gruppen der Kirche. Es gibt außerdem den Hubertustreff, den Kirchenchor, eine Kochgruppe für Männer, Angebote für Senioren, für Jugendliche – jeder wird in das Gemeindeleben miteinbezogen. Auch die Bewohner des Paulus-Hauses, eines Altenstifts an der Grenze zu Himmelgeist.
 

Das gilt besonders an Karneval. Dann organisieren die alteingesessenen Itterer einen Zoch mit eigenem Motto. "Von Ostern bis Western" hieß es in diesem Jahr. "Mit Häzz und Futt in Hollywutt" ist im kommenden Jahr dran. Mit dem Zug gingen die Karnevalisten dieses Mal auch durch das Neubaugebiet. "Wir fanden es toll, dass der Zug bei uns vorbei kam", sagt Granzow.
Auch der Schützenverein ist sehr aktiv, das jährliche Schützenfest legendär. Die Freiwillige Feuerwehr Himmelgeist/Itter bildet Jugendliche für den Wehrdienst aus und hat viele Veranstaltungen, die Pfarre organisiert ein jährliches Pfarrfest. "Das sind alles richtig schöne Dorffeste", sagt Bolten.
Ein einziges Mal feierten die Itterer bisher sogar mit ihren Nachbarn im Westen. Denn zwischen Himmelgeist und Itter besteht eine traditionelle Rivalität, vergleichbar mit der Kölns und Düsseldorfs. An Silvester 2000 stellten Itterer und Himmelgeister trotzdem gemeinsam ein Zelt auf die Grenze, rund 700 Gäste kamen und feierten das Ende der Feindschaft – die dann mit vielen Zoten im Karneval gleich wieder auflebte.
Und so blieb doch alles beim Alten – in Itter dauern die Veränderungen eben einfach ein wenig länger.

 

 

 

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